Eine ältere Studie aus dem Jahr 2007 untersuchte Faktoren, die eine geringere Überlebenszeit bei der CNE-Katze prognostizieren können. Die Studie bezog sich auf insgesamt 190 Katzen mit chronischer Nierenerkrankung (= CNE) und konnte mehrere Prognose-Faktoren ermitteln. Mittlerweile gibt es zwar weitere Prognose-Faktoren wie etwa die Blutkonzentration an Indoxylsulfat oder FGF-23, dennoch sind einige der angegebenen Prognose-Faktoren aus 2007 noch immer von Bedeutung in der Diagnostik und Stadien-Einteilung der CNE durch die IRIS (International Renal Interest Society). Diese werden im Weiteren vorgestellt.
Prognostisch ungünstig
Neben dem Alter der Katze spielen ein erhöhter Kreatinin-Blutwert sowie ein erhöhter UPC (Urine protein to creatinine ratio = Urin- Protein-Kreatinin-Verhältnis) eine wichtige Rolle als unabhängige und ungünstige Prognose-Faktoren bei der CNE. In Zusammenhang mit dem Kreatinin-Blutwert steht auch ein erhöhter Phosphat-Blutspiegel, der als prognostisch ungünstig angesehen wird.
Kreatinin
Kreatinin ist eine Substanz, die aus dem Muskelstoffwechsel stammt. Je nach Bemuskelung der Katze wird Kreatinin von den gesunden Nieren mit einer konstanten Rate über den Urin ausgeschieden. Damit ergibt sich ein individuell hoher Kreatinin-Blutwert, der sich aus der Menge des entstehenden Kreatinins aus dem Muskelstoffwechsel und seiner Ausscheidung über die Nieren ergibt. Der Kreatinin-Wert im Blutplasma dient als Maßstab für die Ausscheidungsleistung der Nieren. Er steigt an, wenn die Kreatinin-Ausscheidung abnimmt. Die Kreatinin-Ausscheidung nimmt dann ab, wenn die Nierenleistung sinkt. Daher steht die Kreatinin-Konzentration im Blut mit der Nierenleistung in direktem Zusammenhang. Es ist daher prognostisch ungünstig, wenn der Kreatinin-Blutwert hoch ist, da dies für eine geringe Nierenleistung spricht (es gibt jedoch Ausnahmen). Daher wird der Kreatinin-Blutwert von der IRIS für die Diagnose und die Einteilung in die unterschiedlichen CNE-Stadien verwendet.
Proteinverlust über die Nieren
Ein Proteinverlust entsteht durch den Verlust der Protein-Selektivität an dem Glomerulum-Filter-System. Der Proteinverlust wird bei der CNE mit Hilfe des UPC diagnostiziert. Das bedeutet, dass der Proteinverlust mit Hilfe des UPC-Wertes als erhöhte Proteinausscheidung im Urin (= Proteinurie) nachgewiesen wird. UPC kann daher nur aus einer Harnprobe bestimmt werden. Bei dem Test wird die Menge an Protein und Kreatinin in derselben Urinprobe gemessen und die Differenz zwischen den beiden Werten als Verhältnis ausgedrückt. Das Protein-Kreatinin-Verhältnis im Urin misst beispielsweise, ob die Proteinausscheidung im Vergleich zur Kreatinin Ausscheidung höher ist als erwartet. Ist das der Fall, liegt eine Proteinurie vor.
Wenn die Nierenfunktion reduziert ist und auch der Harn nicht mehr ausreichend konzentriert werden kann und wässrig wird (= das Spezifische Harngewicht sinkt), dann reichen Spuren von Eiweiß im Urin aus, um einen Hinweis auf die chronische Nierenerkrankung zu geben.
CNE-Katzen mit einem UPC > 0,4 haben ein 4-fach höheres Sterberisiko als CNE-Katzen mit einem UPC < 0,2.
Die IRIS teilt die UPC-Werte wie folgt ein:
Entzündungen und Blutungen führen zu Eiweiß im Urin
Eiweiß im Urin kann auch andere Ursachen haben: Blutungen und Entzündungen im Harnsystem sind häufige Ursachen und werden mit Erkrankungen wie Blasenentzündung, Blasensteinen, oder Tumorerkrankungen und anderen in Verbindung gebracht. Wenn im Urin viel Eiweiß nachgewiesen wird und keine Entzündung oder Blutung vorliegt, kann dies auf eine CNE hindeuten. Daher werden zusätzlich Blutwerte (Nierenprofil) für die Diagnose der CNE bestimmt.
Aus dem vorgenannten Grund sollte das Protein-Kreatinin-Verhältnis nur von Urinproben bestimmt werden, die frei von Blut und Entzündungszellen sind. Um festzustellen, ob die Probe für den Protein-Kreatinin-Test geeignet ist, wird daher zunächst eine vollständige Urinanalyse und Sedimentuntersuchung durchgeführt. Der Grund dafür ist, dass das Vorhandensein von Blut und Entzündungszellen zu einem falsch hohen Verhältnis von Urin-Protein zu Kreatinin führen kann, was auf eine Nierenerkrankung hindeutet, obwohl eine andere Ursache vorliegt.
Bevor die Diagnose einer primären Nierenerkrankung gestellt werden kann, muss neben dem Nierenprofil im Blut (Konzentration an Kreatinin, SDMA, Harnstoff, Phosphat und weitere Elektrolyte, FGF-23, Indoxylsulfat) nachgewiesen werden, dass der Proteinverlust über die Nieren ein anhaltendes Problem darstellt. Es wird empfohlen, das Protein-Kreatinin-Verhältnis (mit vollständiger Urinanalyse) in mehreren aufeinanderfolgenden Urinproben zu wiederholen. Je länger der Proteinverlust anhält, desto wahrscheinlicher ist es, dass eine ernsthafte Nierenerkrankung vorliegt.
Bluthochdruck = Filtrationsdruck
Als Filtrationsapparat gilt das Glomerulum, ein Gefäßknäuel, das von Hüllen wie der Bowmanschen Kapsel umgeben ist, mit denen es Filterporen bildet und so wie ein Sieb wirkt. Es ermöglicht Abfallprodukten durch die Poren in den Urin (passiv) überzutreten und gleichzeitig wichtige Proteine und Blutzellen zurückzuhalten (= selektiver Filter). Für große Moleküle (wie Plasmaproteine) und geladene Moleküle bildet das Glomerulum eine Barriere und verhindert so deren Verlust über den Urin. Kleinere Protein-Moleküle wie etwa Transportproteine, können den Filter passieren und landen dann im Urin. Hier werden sie jedoch bereits am Anfang des Röhrensystems wieder zurückgewonnen. Ein Proteinverlust kann daher auch entstehen, wenn Rückgewinnungs-Mechanismen bzw. der proximale Tubulus (siehe Glossar) geschädigt sind.
Der Proteinverlust über die Nieren steht bei der CNE meist im direkten Zusammenhang mit Bluthochdruck (Hypertonie). Dabei kann es sich um den Bluthochdruck nur im Glomerulum, um systemischen Bluthochdruck oder beides zusammen handeln. Die meisten Proteine können üblicherweise aufgrund ihrer Größe und Ladung nicht ausfiltriert werden. Steigt jedoch der Blutdruck im Filterapparat der Nephrone, den Glomerula, an, so treten Proteine im Urin auf. Der erhöhte Blutdruck führt dazu, dass die „Filterporen“ geweitet werden und die Ladungen verändert werden, so dass größere Moleküle die Filter passieren können. Dies ist ebenfalls der Fall, wenn die „Filterporen“ bzw. der Filter insgesamt geschädigt sind, was bei Veränderungen im Filterapparat auftritt (= Glomerulopathien).
Das Blut enthält auch Proteine, die kleiner (als 65 kDa) sind, wie z. B. das Transportprotein für Vitamin A. Diese niedermolekularen Proteine werden am Glomerulus frei gefiltert, aber von den proximalen tubulären Zellen des Nephrons rückresorbiert, wodurch ihr Verlust verhindert wird. Wenn jedoch erhöhte Mengen an niedermolekularen Proteinen im Blut vorhanden sind, können die proximalen tubulären Zellen überlastet werden, was ebenfalls zu einer Proteinurie führt.
Folgen der Proteinurie für die Nieren
Auf sehr unterschiedlichen Wegen führt eine Proteinurie zu einer Verschlechterung der CNE.
Kommen die Zellen des proximalen Tubulus in Kontakt mit einer erhöhten Proteinmenge, dann werden Entzündungs- und eine Kaskade von weiteren Mediatoren freigesetzt, die zur Selbstzerstörung der Nephrone und schließlich zu deren narbigem Umbau führen. Das führt zum weiteren Fortschreiten der CNE.
Folgen des Proteinverlustes für die Katze
Bei dem Proteinverlust über den Urin handelt es sich meist um die Plasma-Proteine Albumin und Globulin. Sie sorgen im Blut für den sog. onkotischen Druck. Eine Voraussetzung, damit Wasser im Blut gehalten wird und nicht in Gewebe austritt. Bei anhaltendem Verlust an Albumin und Globulin kann Flüssigkeit in Gewebe austreten und zu Ödemen und Ergüssen führen. Es kann durch den Flüssigkeitsverlust auch Bluthochdruck gefördert werden.
Zudem trägt der Proteinverlust zu Muskelschwund und Gewichtsverlust und damit zur Auszehrung der CNE-Katze bei.
UPC als Marker für Verbesserung der Nierenfunktion
Wenn die Proteinurie durch eine Behandlung verringert werden kann, wird auch das Fortschreiten der CNE verlangsamt. Bei einem Tier mit CNE kann das Protein-Kreatinin-Verhältnis im Urin auch zur Überwachung der Nierenfunktion verwendet werden, z. B. um festzustellen, ob sich die Nierenfunktion als Reaktion auf eine Behandlung verbessert. Dies wurde z. B. durch den Einsatz verschiedener blutdrucksenkender Medikamente erreicht.
Eine aktuelle Studie an der LMU München konnte ebenfalls eine Reduktion des UPC erzielen durch den Einsatz von Porus® One, einem Hochleistungsadsorber für die Vorstufen urämischer Toxine im Darm, wodurch der Indoxylsulfat-Blutspiegel gesenkt werden konnte.*
*Indoxylsulfat ist an vielen Prozessen der Nierenzerstörung beteiligt, die das Fortschreiten der CNE-Erkrankung fördern und klinische Symptome hervorrufen. Die Autoren gehen daher davon aus, dass die zusätzliche Gabe von Porus® One die Progression der CNE verbessern könnte.
Quellen:
- Abbate, M., Zoja, C., & Remuzzi, G. (2006). How Does Proteinuria Cause Progressive Renal Damage? Journal of the American Society of Nephrology, 17(11), 2974–2984. https://doi.org/10.1681/ASN.2006040377
- Elzenbeck, I., Teichmann-Knorrn, S., Hartmann, K., Zablotski, Y., Suchodolski, J., & Dorsch, R. (2024). Evaluierung des Effekts von Renaltec bei Katzen mit chronischer Nierenerkrankung im IRIS-Stage 2 und 3. [Poster Präsentation]. 31. Jahrestagung der DVG-Fachgruppe “Innere Medizin und klinische Labordiagnostik.”
- IRIS International Renal Interest Society. (2023). IRIS Staging of CKD (modified 2023). Iris-kidney.com. http://www.iris-kidney.com/education/pdf/2_IRIS_Staging_of_CKD_2023.pdf
- King, J. N., Tasker, S., Gunn-Moore, D. A., Strehlau, G., & BENRIC (benazepril in renal insufficiency in cats) Study Group. (2007). Prognostic Factors in Cats with Chronic Kidney Disease. Journal of Veterinary Internal Medicine, 21(5), 906–916. https://doi.org/10.1111/J.1939-1676.2007.TB03042.X
- Schmid, S. M. (2022). When Urine Trouble: A Clinical Approach to Proteinuria. Today’s Veterinary Practice, 12(1), Jan/Feb 2022, 47–57.
- Weir, M., Ruotsalo, K., & Tant, M. S. (o. J.). Urine protein:Creatinine ratios. VCA ANIMAL HOSPITALS. Abgerufen 6. März 2024, von https://vcahospitals.com/know-your-pet/urine-proteincreatinine-ratios
Der Beitrag Prognostische Faktoren der CNE erschien zuerst auf CNE Blog.